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nachgeschlichen! Hinter der dicken Holzsäule des

Treppenfußes holten wir erst einmal Atem.

Die Cousinen schauten uns verstört an. Plötzlich quietsch-

te die jüngere auf und beide rannten wie vom bösen Wolf

gehetzt davon. Denn oben, auf dem Treppenabsatz, stand

der Weihnachtsmann!

Beide Hände in die Hüften gestemmt, schaute er auf uns

herab und schüttelte missbilligend den Kopf. Wir starrten

schreckerfüllt zurück. Gerade fragte ich mich, warum der

Nikolaus heute denn wohl ein Kleid anhatte und darüber

Omas rotgeblümte Schürze, unter einer roten Pudelmütze

schwarze Haare auf dem Kopf trug, am Kinn und unter der

Nase jedoch einen dicken, langen weißen Bart (wie aus …

Watte?) und warum der heilige Mann darunter so ein glat-

tes, starres, glänzendes, unbewegliches Weihnachtsmann-

gesicht besaß, das mit Gummibändern an den Ohren befe-

stigt zu sein schien und warum, verflixt und zugenäht, seine

Füße in Omas schwarz-gelb karierten Hausschuhen stek-

kten … - da wurden meine scharfsinnigen Überlegungen

durch ein bedrohliches Grummeln des Beschriebenen, ver-

bunden mit dem kräftigen Wedeln eines Teppichklopfers jäh

gestört. Vor diesen schlagkräftigen Argumenten wichen wir

beide eiligst und verbargen uns im Stall zwischen Heu und

Stroh, hinter Kartoffelsäcken und Brennholz. Der Vetter war

sogar in den Schweinestall gehüpft, was der darin befindli-

chen Sau offensichtlich sehr missfiel. Auch der Hofhund

bellte irritiert.

Als nach ich-weiß-nicht-wie-langer Zeit die Tante zum

Mittagessen rief, kamen da vier kleine schlotternde

Gartenzwerge zum Vorschein, die still und stumm am Tisch

saßen; zum Erstaunen der Eltern. Uns gegenüber thronte

jedoch eine ausnehmend zufriedene, schmunzelnde

Großmutter. In rotgeblümter Schürze.

Und als dann abends das Weihnachtsliedersingen, das

Tannenbaumbestaunen und das Beschenkt werden vorüber

war – die Wünsche: Segelflugzeug, Fahrrad,

Kaufmannsladen (alle gleich groß und schön) hatten sich

erfüllt – fand ich eben diese Schürze in der dunklen Küche

an einem Haken am Schrank aufgehängt.

Und mir war so, als hätte ich trotz der Dunkelheit einen fei-

nen Hauch von Goldflitter und ein paar Wattefasern an

ihrem Oberteil gesehen!?

Klaus Schafmeister