Strandlooper - Inselgeschichten von Juist - page 19

Inselgeschichten
„SIE KAMEN AUS DEM FEUER ………“
KRIEGSFLÜCHTLINGE AUF JUIST
Wer den Dünenfriedhof besucht, trifft links vom Eingang zur
Kapelle auf ein Bronze-Relief, das der Erinnerung an
Ereignisse des 2.Weltkrieges, der vor 70 Jahren zu Ende
ging, gewidmet wurde. Mit einer historischen Rückblende
will der STRANDLOOPER versuchen, die Gedanken der
heute Lebenden auf eine Reise in die damalige Zeit zu
schicken.
Im Chaos der letzten Kriegsmonate waren unzählige
Menschen, besonders aus den östlichen deutschen
Provinzen, auf der Flucht vor den herannahenden, feindli-
chen Truppen. Ihr Strom war vorwiegend westwärts gerich-
tet und zielte besonders auf die von Kriegsereignissen noch
wenig berührten ländlichen Gebiete zwischen Elbe und
Ems, da man dort am ehesten Schutz vermutete.
Ostfriesland und seine Inseln waren Anfang 1945, abgese-
hen von Bombardierungen der Hafenstädte Emden und
Wilhelmshaven sowie der Stadt Esens, der Insel
Wangerooge und vereinzelten Bombenabwürfen u.a. auf
Juist, noch weitgehend unberührt von Kriegsereignissen
geblieben. Deshalb verfügte die damalige Regierung 70
Tage vor Kriegsende, dass Juist 1000 Flüchtlinge aufzu-
nehmen habe. Am 10. März legten die ersten Schiffe von
Norddeich kommend auf der Insel an. Ein weiteres
Fahrzeug verirrte sich nachts im Watt und konnte Juist erst
am nächsten Tag erreichen. Die Flüchtlinge kamen aus
Stettin, Pommern und Ostpreußen und waren bereits
wochenlang unterwegs. Dementsprechend war bei den
meisten die körperliche und seelische Verfassung.
Der damalige Inselpastor Schmaltz stellte ihr Schicksal
unter ein Bibelwort aus Jesaja 43,2:
Sie kamen aus dem Feuer.
Sie gingen durch das Wasser.
Sie fanden ein Ufer.
Aber war es wirklich ein Ufer? Zwar machte die räumliche
Unterbringung in den verschiedenen Juister Häusern und
Hotels keine nennenswerte Schwierigkeit, doch konnte sich
in Zimmern, die für Sommergäste vorgesehen waren famili-
äres Leben entfalten? Zunächst organisierte man im
Friesenhof, später dann im heutigen Seeferienheim eine
Gemeinschaftsküche. Aber viele Flüchtlinge wollten lieber
selber kochen, doch war das in den Räumen, die ihnen zur
Verfügung standen kaum möglich. Zudem wurde das
Brennmaterial (Braunkohle, Koks) immer knapper und die
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