Seite 184 - sommer-2011

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AUCH POLIZISTEN KÖNNEN IRREN
Heiligabend vor ein paar Jahren. Wie üblich hatte ich den
Tag damit verbracht, die letzten Geschenke zu besorgen,
und war jetzt auf dem Weg nach Hause. Plötzlich, kurz vor
der nächsten Autobahnabfahrt, leuchtete meine
Benzinanzeige auf. Schnell entschlossen verließ ich die
Autobahn in der Hoffnung, noch eine offene Tankstelle zu
finden.
Die nächste Ortschaft war nicht weit. Doch zu meinem
Pech war der Service bereits geschlossen. Was tun? Da fiel
mein Blick auf die hell erleuchtete Polizeiwache. Die beiden
diensthabenden Beamten waren sehr nett und einer erklär-
te sich gleich bereit, zu sich nach Hause zu fahren, um von
dort einen gefüllten Reservekanister zu besorgen. Das gib-
t’s – die Polizei, dein Freund und Helfer.
Während ich auf mein Benzin wartete, kam ich mit dem
anderen Polizisten ins Gespräch. Ich erzählte ihm, dass ich
gerade dabei sei, ein Buch mit Weihnachtsgeschichten zu
schreiben und fragte ihn, ob er während seiner langen
Dienstzeit nicht auch etwas erlebt hätte, was berichtens-
wert sei. Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife, sah
mich gedankenverloren an und begann zu erzählen.
…Es war vor einigen Jahren, so etwa die gleiche Uhrzeit
wie jetzt, am Heiligabend. Da erhielten wir über Nottelefon
den Anruf einer älteren Dame, die ganz aufgeregt unsere
Hilfe erbat. Es ging um ihre Nachbarin, eine junge Witwe mit
zwei Kindern, um die sie sich große Sorgen mache. Sie
wisse genau, die junge Frau sei zu Hause, aber das Telefon
sei seit Stunden besetzt und die Klingel abgestellt. Sie habe
große Angst, es sei etwas passiert, weil sich doch vor
einem Jahr so etwas Fürchterliches ereignet habe. Ich hatte
Mühe, die alte Dame zu beruhigen, und versprach, sofort
zu kommen. Während ich Namen und Adresse notierte fiel
es mir wie Schuppen von den Augen. Dieser Name und
diese Anschrift – ich erinnerte mich als ob es gestern
gewesen sei.
Heiligabend genau vor einem Jahr; ich hatte – wie heute –
Dienst. Das Wetter war miserabel. Es regnete, dann wurde
es kalt und die Straßen überzogen sich mit extremem
Glatteis. Die Katastrophenmeldungen überschlugen sich.
Auf der nahe gelegenen Autobahn jagte ein Unfall den ande-
ren. Wir hatten alle Hände voll zu tun. So vernahm ich nur
am Rande die Meldung meiner Kollegen von der
Autobahnpolizei, dass an unserer Ausfahrt ein schwerer
Unfall passiert sei. Ich wurde erst ca. eine halbe Stunde