Seite 137 - sommer-2011

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Trieb ein Schiff an, so wurde in Ermangelung eines
geeigneten Raumes der Kirchenvorraum zum Aufstapeln
der Ware benutzt, bis sich eine Gelegenheit zum
öffentlichen Verkauf bot. Auf dem brüchigen Boden des
Gotteshauses lagerten Ketten und Trossen und anderes
Strandgut. In der Kirche selbst zeigten die Sitzflächen der
Bänke kreisrunde Male in gleichmäßigen Abständen. Nach
der Ursache gefragt, wurde geantwortet: “Vor langem
strandete ein Schiff mit Käse. Er wurde zum Trocknen auf
die Bänke gelegt. Der holländische Käse beizte auf diese
Weise die Farbe ab.“
Über dem Vorhof befand sich der Orgelboden mit einem
Harmonium, das einst eine mildtätige Dame der Kirche
geschenkt und das ich fortan als Organist zu „meistern“
hatte. Dies war später keine leichte Aufgabe, wenn man
bedachte, dass im Winter bei Sturm und durchsickerndem
Regen die Tastatur derartig gequollen war, dass man beim
Spiel nur noch Todesseufzer vernahm, weil sämtliche
Tasten gleichzeitig ansprachen. Vorbei war es dann mit der
Begleitung, und die Lungen der Insulaner gewannen leicht
die Oberhand beim Singen der Choräle. Der Gottesdienst
dauerte regelmäßig von zehn bis zwölf Uhr einschließlich
der Kinderlehre und nachmittags von zwei bis vier Uhr.
Dafür zahlte die Kirche drei Taler im ganzen Kirchenjahr.
So war mein Einzug auf der schmalen Insel Juist alles
andere als mit großen Hoffnungen verbunden…“
Aber es hat dann gar nicht lange gedauert, bis Leege sich
mit den widrigen Lebensumständen arrangierte und
begann, das reiche Tier- und Pflanzenleben der Insel zu
erkunden. Damit schuf er das Fundament für seine
späteren umfangreichen Forschungsarbeiten, für die er
bereits zu seinen Lebzeiten hohe Anerkennung und viele
Ehrungen erhielt bis hin zur Verleihung des Titels eines
Ehrendoktors der Philosophie der Universität Göttingen.
Text und Foto: Hans Kolde
Quelle: Leege-Archiv Kolde