Seite 131 - sommer-2011

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ALS DIE GROSSE FLUT KAM
Es war die wohl schwerste Sturmflut der Neuzeit, die am
16./17. Februar 1962 – vor 50 Jahren also – über die deut-
sche Nordseeküste hereinbrach. Ein Sturmtief südlich von
Island zog unter Verstärkung nach Südnorwegen und ent-
wickelte sich zu einem verhängnisvollen Wirbel, dem die
Meteorologen den Namen VINCINETTE, die „Siegreiche“,
gaben. Die Stoßrichtung mit dem Hauptwindfeld zielte
genau in die deutsche Bucht. Erst später sollte sich auf ver-
hängnisvolle Weise zeigen, wie richtig die Wahl dieses
Namens war.
Auf Juist war man schon frühzeitig alarmiert, denn das
Niedrigwasser um 14:00 Uhr entsprach bereits der Höhe
des normalen Hochwassers. Gegen 17:00 Uhr traf die
Kaltfront ein mit einer gleichzeitigen Winddrehung auf West-
Süd-West und Erhöhung der Windgeschwindigkeit auf volle
Orkanstärke, d. h. mehr als 100 km pro Stunde. Dadurch
vermehrte sich der Wind- und Wasserdruck auf die Südseite
der Insel und verursachte akute Gefahr für die dort unge-
schützt stehenden Häuser.
Man muss wissen, dass es damals weder den heutigen
Deich vom Loog bis zum Ostdorf noch das Bauwerk gab,
das Gebäude und Anlagen von Flugplatz und
Jugendbildungsstätte schützt. Die Inselbewohner begannen
am frühen Nachmittag mit der Sicherung von Fenstern,
Türen und niedrigen Geländeteilen durch Sandsäcke, aber
man hätte tausend Hände haben müssen, um dem ständig
steigenden Wasser Einhalt gebieten zu können. So kam es
denn schon bald zu den ersten Wassereinbrüchen im
Dellert und beim Hotel Seeblick. Die Verbindung zum Loog
war überflutet, was zu einer dramatischen Situation führte.
Der Inselpastor Schmaltz erlitt einen Schlaganfall, und eine
junge Frau stand kurz vor der Geburt ihres Kindes. Beide
Personen mussten unter dramatischen Umständen auf
Tragen vom Loog durch die Dünen ins Dorf geschafft wer-
den, wo sie in der damaligen Krankenstation im Josefsheim
Aufnahme fanden. Pastor Schmaltz verstarb am folgenden
Tag, während die Frau einen gesunden Jungen zur Welt
brachte.
Am schlimmsten traf es wohl die Jugendbildungsstätte am
Flugplatz. Dort konnte das Wasser ungehindert in Häuser,
Werkstätten und Anlagen eindringen und sie meterhoch
überfluten. Außerdem wurden Wasserversorgungs- und
Kläranlage zerstört. Gegen 20:30 Uhr war Hochwasser.
Gleichzeitig drehte der Wind nach Nordwest, wodurch der
Druck auf die Inselsüdseite etwas abnahm. Dafür begann