Seite 111 - sommer-2011

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Oma Rass wusste viele
Geschichten vom Töwerland
zu erzählen
Ereignisse vorausahnen zu können. Hierüber und vom kar-
gen Leben der Insulaner noch im 19. Jahrhundert
berichtete die 1846 geborene Oma Raß dem späteren
Verleger Hans-Erich Giebel, der das Gehörte dann in
seinem Buch „Juist – das Töwerland“ veröffentlichte.
Es war auch bekannt, dass die fehlende ärztliche
Versorgung in früherer Zeit zwangsläufig zur Selbsthilfe mit
überlieferten Mitteln der Naturheilkunde führte.
Dr. Otto Leege berichtete, dass er bei seinem ersten Juist-
Besuch 1882 in vielen Insulanerhäusern Bündel von
Heilkräutern wie Holunder (Fledder), Schafgarbe
(Dusendblatt), Wegerich (Hundtung), Seewermut (Seewürm)
und Tausendgüldenkraut (Auriin) an den Zimmerdecken hän-
gend vorgefunden habe. Eine alte Juisterin sagte ihm:
„Seewürmt un Auriin up Jannäver hollen gesund Maag,
Darms und Läwer“ (Seewermut und Tausendgüldenkraut
auf Genever gezogen, halten Magen, Gedärm und Leber
gesund). Aber es gab gewiss auch Quacksalber(innen), die
sich irgendwelcher dubioser „Zaubermittel“ bedienten für
Heilungsversuche an Menschen und Tieren. Sicherlich war
das ein Anlass im Jahr 1590, drei Juister Frauen der
Hexerei zu bezichtigen. Zusammen mit 28 anderen
Beschuldigten aus Ostfriesland wurden sie auf dem
Festland verbrannt. Der Bericht über das grausame
Geschehen, das Dr. Arend Lang in den Annalen entdeckte,
führte bei ihm zu der Annahme, dass hier der Ursprung des
Namens „Töwerland“ zu suchen sei. Dem kann ich nicht
zustimmen. Wenn beabsichtigt gewesen wäre, eine
Verbindung zwischen der Insel und den „Hexen“
herzustellen, dann hätte man entweder die männliche Form
„Töwererland“ (Töwerer = Hexer) oder die weibliche
Variante „Töwerskenland“ (Töwerske = Hexe) gewählt.
Es ist weder in einem amtlichen Dokument noch in der
Literatur verbürgt, wann der Name zum ersten Mal auf-