Inselgeschichten          61
Weihnachten mal anders
Nach vielen Jahren bei der D.D.G. Hansa mit dem
Traumfahrtgebiet Persischer Golf - Nordamerika, zog
es mich als 23-Jährigen mal wieder für kurze Zeit in
die Kümo-Fahrt. Das hatte vielerlei Gründe, nicht
zuletzt hegte ich romantische Erinnerungen an
meine Moses-Zeit, die ich auf einem
Küstenmotorschiff verbracht hatte. Die Seetörns
betrugen nur Tage und nicht endlose Wochen, und
ich bildete mir ein, einen gewissen Nachholbedarf,
was das Leben betraf, zu haben. Außerdem wollte
ich einmal Weihnachten zu Hause verbringen, was
mir seit Beginn meiner Fahrenszeit nicht gelungen
war. Die Reue kam schnell, denn im Spätherbst zei-
gen sich Ost- und Nordsee nun mal nicht von ihrer
charmantesten Seite.
Da bei der Seefahrt nie etwas so läuft, wie man es
sich vorstellt oder gar erträumt, bekamen wir wäh-
rend der Weihnachtsreise durch viel Eisgang und
Sturm ordentlich Verspätung. Das Fest bei der
Familie konnte ich abschreiben, denn das war zeitlich
nicht mehr zu schaffen, mein Elternhaus war in
Berlin. So meldete ich mich freiwillig zur
„Bordwache“ über Weihnachten, damit wenigstens
die Kollegen zu ihren Familien fahren konnten, die
in der Nähe wohnten. Am Heiligen Abend liefen wir
morgens in den Kiel-Kanal und waren am frühen
Abend in Brunsbüttel. Dort lag schon die halbe
Kümo-Flotte in Viererpaketen nebeneinander, alles
wirkte wie ausgestorben. Mein Kapitän versorgte
mich mit tröstenden Getränken und reichlich
Taschengeld, so stand dem fest der feste nichts mehr
im Wege.
Genau vis-a-vis der Bunkerstation gab es zu der Zeit
eine urige Kneipe, die wohl überwiegend von
Seeleuten lebte und in der sich der Zeit entsprechend
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