1973
war es endlich so weit: der Bau einer befestigten Start und Landebahn (die
erste übrigens au feiner ostfriesischen Insel) konnte beginnen. Doch
welche Menge an Vorarbeit musste geleistet werden.
Aufgrund
der geringen Inselbreite (400 m) war nicht nur ein störungsfreies
Nebeneinander von Schul- und Verkehrsbetrieb zu berücksichtigen, sondern
auch die Richtung der Bahn, um Lärmbelästigung für die Dorfbewohner
bei An- und Abflügen zu vermeiden.
Außerdem
lag die Bahn Außendeichs, d.h. bei jeder Sturmflut von l,70 m über
MTHW geriet sie unter Wasser. Deshalb griff man zu einer ebenso einfachen
wie bewährten Bauweise: Man schuf ein Sandplanum und verlegte darauf
ein Betonstein-Verbundpflaster. So konnte das Wasser nach jeder Überflutung
schnell versickern und die Bahn war nach kurzer Zeit bereits wieder befliegbar.
Die Luftfahrtbehörde
- zunächst sehr skeptisch - genehmigte schließlich den Bauplan
und so erhielt Juist als erster deutscher Flugplatz eine Bahn aus Pflastersteinen.
Die gesamte
Planungsarbeit erbrachte die Jugendbildungsstätte als Eigenleistung
für die Inselgemeinde, dem Träger der Baumassnahme, und besorgte
außerdem den größten Teil der Finanzierungsmittel.
Noch
während des Startbahnbaus reiften die Pläne für die Errichtung
eines zentralen Betriebsgebäudes mit Tower, Abfertigungsräumen
für Fluggäste sowie einem Restaurant, denn der öffentliche
Luftverkehr nahm von Jahr zu Jahr zu, zumal Luftfahrtunternehmen begannen,
während der Sommermonate direkte Linien zwischen Juist und den Flughäfen
Bremen und Düsseldorf einzurichten.
Auch
hierfür konnte die Jugendbildungsstätte eine Reihe von Finanzierungsquellen
bei der Niedersächsischen Landesregierung erschließen so dass
die Inselgemeinde in der Lage war, das Gesamtprojekt innerhalb von vier
Jahren zu realisieren.
Die Flugleiter
waren glücklich über ihren Arbeitsplatz im neuen Tower, der mit
modernen Funkgeräten, Peiler, Drehfeuer, meteorologischen Messgeräten
usw. ausgerüstet werden konnte. Für die Fluggastabfertigung am
Flugsteig wurde ein kleiner Pavillon beschafft und mit einer Fachkraft
besetzt.
Ein Problem
ergab sich jedoch, als es darum ging, einen Betreiber für das Flugplatzrestaurant
zu finden. Kein Unternehmer traute sich, "gastronomisches Neuland" zu betreten.
Hilfe brachte dann Dr. Theodor Wuppermann, der seit 1975 in Fortsetzung
der Familientradition den Vorsitz des Trägervereins der Jugendbildungsstätte
übernommen hatte. Durch seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied
der Hannover Messe gelang es ihm, die Hannover-Messe-Gaststätten GmbH
für die Ersteinrichtung von Lokal, Küche und Wirtschaftsräumen
sowie einen fünfmonatigen Probebetrieb des Restaurants mit sämtlichem
Personal zu gewinnen. Im Juni 1977 wurde die Einweihung des neuen Restaurants
gefeiert.
Ein Jahr
zuvor - 1976 - erhielt der Flugplatz endlich einen Anschluss an das Brauch-,
Abwasser- und Erdgasnetz des Ortes Juist. Außerdem konnte die oberirdische
Elektrizitäts-Freileitung durch ein Erdkabel ersetzt werden.
Die Entwicklung
des Flugplatzes zu einem zweiten "Verkehrsstandbein" für die stark
tideabhängige Insel vollzog sich kontinuierlich. Dazu trug nicht nur
die ganzjährig durchgehende Öffnungszeit bei, sondern auch
die zunehmende Nutzung für wichtige Frachttransporte. Hier ist die
Beförderung von Zeitungen, Filmen, Paketen des DPD oder UPS und leicht
verderblichen Lebensmitteln ebenso zu nennen wie Flüge mit Kranken,
die in eine Klinik eingewiesen wurden oder einen Facharzt konsultieren
müssen. Für schwierige Krankentransporte stehen Hubschrauber
zur Verfügung, die auch nächtliche Einsätze leisten können.
.
Im
Gegensatz zu den Flugplätzen auf den Nachbarinseln gliedert sich das
Juister Verkehrsaufkommen in 60% gewerbliche und 40% private Starts und
Landungen.
Der gesamte
Zubringerdienst zwischen Ort und Flugplatz wird mit Pferdefahrzeugen
von Juister Fuhrunternehmern geleistet. Das gilt auch für die oftmals
schwierigen Winterbedingungen.
Ende
der siebziger Jahre begann ein zunehmender Abbruch der Flugplatz Südkante,
hervorgerufen durch Sturmfluten. Um die daraus entstehende Verkleinerung
der ohnehin schon schmalen Gras-Betriebsflächen zu stoppen, begann
das Bauamt für Küstenschutz mit der Anlage von Uferschutzwerken
aus Beton-Fertigteilen und, zwar 1979 eine Strecke von 400 m, die 1981
noch um 380 m nach Westen erweitert werden konnte.1984 erhielt der Flugplatz
Juist eine hohe Auszeichnung: den alljährlich von der AOPA Germany
verliehenen "Prix Orange" für den freundlichsten deutschen Flugplatz.
Ermittelt wurde er durch Pilotenumfrage. Für dieses hervorragende
Image sorgten die beiden Flugleiter Renate Kolde und Walter Pilgrim.
Ein weiteres
Markenzeichen des Juister Flugplatzes war neben seiner Unfallfreiheit die
vorzügliche Organisation des Flugbetriebs. Schul- und Verkehrsflüge
auf zwei getrennten Bahnen (Gras und Beton) und über getrennte An-
und Abflugräume (Platzrunden See/Watt) so abzuwickeln, dass weder
am Boden noch in der Luft Kollisionsgefahr bestand, verlangte den Flugleitern
ein hohes Maß an Konzentration ab und stellte sie ständig unter
hohen Verantwortungsdruck. Dies galt besonders für die Wochenenden,
an denen durchaus 400 bis 500 Starts und Landungen möglich waren.
Mit "Follow-me"-Fahrzeugen konnte ein schnelles Hinführen der Flugzeugführer
zu den Parkplätzen gewährleistet werden.
Am 26.Febr.1990
verursachte eine Sturmflut mit 3,30 m über MTHW Wasserhöhe wieder
einmal "Land unter". Als Folge vergrößerten sich die Senkungsschäden
an der 1973 gebauten Start- und Landebahn so sehr, dass der Plan für
eine Grundsanierung unter gleichzeitiger Verbreiterung von 15 auf 20 m
gefasst wurde. Damals stellte die Bundesregierung den Ländern gerade
Strukturhilfemittel zur Ankurbelung der Wirtschaft zur Verfügung,
und da Juist einen baureifen Entwurf "in der Schublade" hatte, gab es aus
diesem Topf DM 1,13 Mio. Die Jugendbildungsstätte übernahm wieder
die Planungs- und Bauleitungsaufgaben und konnte dafür DM 130.000,-
als Eigenleistung für die Gemeinde in Ansatz bringen.
Da die
Mittel schnell ausgegeben werden mussten, war der Baubeginn am l. November
ein risikoreiches Unternehmen, denn prompt setzte eine Dezember-Sturmflut
die Baustelle unter Wasser. Doch alles verlief glimpflich.
Im Gegensatz
zu 1973 wurde diesmal die gesamte Bahn mit einem Schotter-Unterbau versehen,
den man aus den Steinen der alten Bahn im sog. "Schredder-Verfahren"
gewann.
Das
Bauwerk war erst zur Hälfte fertig, da blockierten Ostwind und Eis
wieder einmal die Schiffahrt.Um den notwendigen Transport von Personen
und Gütern über den Luftbahnhof möglich zu machen, erteilte
die Luftfahrtbehörde eine Sondererlaubnis für den Flugbetrieb
auf der bis dahin erst 380 m langen Startbahn. Dabei leisteten die Piloten
der Frisia-Luftverkehr mit ihren 1O-sitzigen BN 2 hervorragendes. Am 2.
Mai 1991 wurde die Bahn nach ihrer endgültigen Fertigstellung dem
Verkehr übergeben. 1992 konnte auch der Flugplatz Norddeich seine
Bahn auf 730 X 20 m ausbauen.
Die Winter
der Jahre 1993 sowie 1995 bis 1997 waren allesamt mit Ostwind und Eis so
reich gesegnet, dass die Schiffahrt jedes Mal eingestellt werden musste.
Besonders in diesen vier Jahren bewies der Flugplatz seine Leistungsfähigkeit
als zweiter Verkehrsträger für die Insel. Ein Beispiel bietet
das Jahr 1996. Am l. Januar "ging nichts mehr". 4.500 Sylvestergäste
saßen in der Falle nur mit der Hoffnung auf schnellen Lufttransport
zum Festland. Doch die Luftfahrtunternehmen konnten, obwohl sie sämtliches
verfügbare Fluggerät einsetzten, pro Tag nur 700 Personen samt
Gepäck transportieren, denn sie durften nur unter Lichtflugbedingungen
fliegen, und die betragen im Januar von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang
nur siebeneinhalb Stunden. So konnten die letzten Gäste erst nach
einer Woche die Heimreise antreten.
Mit kurzer
Unterbrechung dauerte die "Eiszeit" bis zum 18.Februar. In dieser Zeit
wurden bei 2.854 Starts- und Landungen befördert:
13.100
Personen
177.800
kg Fracht
26.210
-kg Post
Am Jahresende
1996 verabschiedete sich Hans Kolde nach 40 erfolgreichen Dienstjahren
zusammen mit seiner Frau, die in Fliegerkreisen "Die Stimme des Nordens"
genannt wurde, in den Ruhestand. Seine Nachfolge trat Bernt Wellhausen
an. Er konnte bereits 1997 die begonnenen Uferrand- Sicherungsmaßnahmen
an der Flugplatz-Südkante fortsetzen, denn der "Blanke Hans" nagte
unentwegt weiter am Inselsockel Ferner erhielt die stark versandete Flugplatzstrasse
durch umfangreiche Räumaktionen wieder ihre frühere Breite von
6,00 m.
Am Flugsteig
musste der alte Abfertigungspavillon einem zweckmäßigeren Gehäuse
weichen ,denn das Abfertigungsgeschäft der Frisia Luftverkehr (z.B.
Gepäckverwiegen, Ticket-Kontrolle usw.) erforderte dies, zumal auch
die Töwercard-Service-Stelle unterzubringen war.
Das Computerzeitalter
machte auch vor dem Flugplatztower nicht halt. Moderne EDV-Anlagen erleichtern
heute den Flugleitern das Registrieren aller Starts und Landungen.
Und
damit ist die Geschichte des Flugplatzes zunächst zu Ende. Aber sie
wird, wenn man auf die dynamische Entwicklung seit 1934 zurück blickt,
in einigen Jahren weiter geschrieben werden können. |