Strandgut
Es ist
Mittwoch Abend, kurz nach sieben.
Der
Bankangestellte Gerold L. lockert seine Krawatte, tauscht die Bundfaltenhose
gegen eine verwaschene Jeans. „Heute werde ich das Tempo vorgeben", denkt
er und verschwindet mit einer mysteriösen, schwarzen Tasche unter
dem Arm aus seinem Haus.
Zur
selben Zeit legt die Lehrerin Martina B. die nur zur Hälfte korrigierten
Hefte auf den Stapel zurück, löst den braven Pferdeschwanz und
beschließt, sich einmal mehr von ihrer anderen Seite („Saite") zu
zeigen.
„Was
ich heute Abend von mir gebe, soll allen durch Mark und Bein gehen,“ schwört
Max 0.„ kaum dass er die Schwarzwälder Kirschtorte mit blutroten Früchten
garniert hat.
Doch
er weiß, dass auch Computerspezialist Reinhard V, seine Finger im
Spiel haben wird, wenn dieser erst seine hochempfindliche Technik aufgebaut
hat.
Ebenfalls
mit unzähligen Kabeln, Knöpfen und Schaltern ausgerüstet
macht sich auch Elektriker Bernd J. auf den Weg in den frühen Abend,
dessen Ausgang mehr als ungewiss ist. „Mama, musst du wirklich dahin gehen
fragen die Kinder, als Hausfrau Sandra L. sie eilig zu Bett bringt „Mein
liebes Kind,, du weißt doch, ohne mich geht es nicht, die anderen
brauchen doch jemanden, der den Tun angibt" Und dann treffen sie sich,
im Sommer in einem von der Welt abgeschiedenen Schuppen in den endlosen
Dünen der Insel, im Winter in einem finsteren Raum zwischen allerlei
Meeresgetier. Kaum sind alle eingetroffen, da ertönt ein ohrenbetäubendes
Geräusch, welches von dem einen oder anderen als Lärm bezeichnet
wird. Worte wie „Sieben Minuten", „Auf die brutale Art" und „Herzstillstand"
kann man gerade noch heraus hören. Bis zehn Uhr dauert der Spuk, dann
ist auf einmal Totenstille.
Ist
eine Verschwörung im Gange, die den Frieden der Insel ernsthaft gefährden
kann? Es kommt vor, da wagen sich diese sechs Gestalten an die Öffentlichkeit.
Unzählige Plakate machen die Juister Bevölkerung darauf aufmerksam,
dass es mal wieder so weit ist. Gerade die jüngeren Insulaner aber
auch einige gestandene Persönlichkeiten machen sich auf den Weg zum
vereinbarten Treffpunkt, sie lassen sich in den Bann der Gruppe ziehen,
sie jubeln und klatschen, einige tanzen sogar und singen laut über
ihre Gefühle und das Leben auf der Insel. Man könnte meinen,
es geht nicht mit rechten Dingen zu, glaubt an Seelenfängerei und
Aufputschmittel. Doch dieses Treiben ist legal, kein Ordnungshüter
kann dagegen etwas unternehmen.
Es gibt
sie nun mal, sie haben ihren Platz in der Juister Gesellschaft gefunden;
die Rockband „Strandgut“. Seit drei Jahren treiben sie nun hier ihr Unwesen
jenseits von Shantychor und Musikverein. Zu ihrer Verteidigung sagen sie,
die Texte und Lieder wären ihnen angeblich vom rauen Nordseewind in
die Köpfe geweht worden. Und ohne Gegenbeweise kann man einfach nichts
dagegen unternehmen. |
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