Die Geschichte des Juister Flugplatzes
l. Teil:  1932  bis  1973
Es war eine weise Entscheidung,  die Mitglieder des Juister Gemeinderates nach einer umfangreichen Inselbegehung am 10.Oktober 1932 trafen. Ein Flugplatz sollte gebaut werden, um die Verkehrsanbindung der stark tideabhängigen Insel an das Festland zu verbessern. Ein Dünengelände am Kalfamer bot die günstigsten Voraussetzungen für ein solches Bauvorhaben, doch problematisch war seine Finanzierung. Da erwies sich ein Arbeitsbeschaffungsprogramm, das die damalige Regierung in Zusammenarbeit mit dem Kyffhäuserbund, einem Zusammenschluss ehemaliger Soldaten, ins Leben gerufen hatte, als Rettungsanker. Im Rahmen eines freiwilligen Arbeitseinsatzes kamen bereits im Dezember 1932 ca. 70 beschäftigungslose junge Männer nach Juist, um mit den Erdarbeiten zu beginnen. Einsatzleiter war Henrich Loose aus Bingurn, dessen Tochter Carola, Gattin des 1981 verstorbenen Wissenschaftlers Dr. Arend Lang, heute noch auf Juist lebt. Die Arbeitsgruppe wohnte seinerzeit in verschiedenen Juister Hotels und zog täglich zum Kalfamer hinaus, wo auf einem 400 X 400 Meter großen Areal Dünen abgetragen und die planierten Flächen mit Tausenden von Grassoden, die im Heller gestochen wurden, abgedeckt werden mussten. Es war eine mühevolle Arbeit die nur mit Spaten und Schaufel sowie als einzigem technischen Hilfsmittel 15 handbetriebenen Kipploren zu bewältigen war. Am Nordrand des neuen Flugfeldes entstand eine 25 X 12 Meter große Holzbaracke, in die nach Abschluss der Arbeiten Anfang 1934 die Flugleitung und eine Agentur des Seebäderflugdienstes einzogen. Am 15.April 1934 weihte man den Flugplatz ein, der danach unterschiedlichen Zwecken diente. Zunächst waren es regelmässige sommerliche Zeitungstransporte von Bremen, dann aber auch Personen- beförderung und Rundflüge. Besonders bei Schiffsausfällen aufgrund von Ostwind-Wetterlagen oder Vereisung des Wattenmeeres erwies sich das "zweite Verkehrsstandbein" der Insel als große Hilfe. Die zivile Nutzung des Flugplatzes wurde dann jäh unterbrochen durch den Kriegsbeginn 1939. Zwar kam eine Nutzung des Rollfeldes mit seinen relativ geringen Abmessungen für das Starten und Landen von schnellen Jagdflugzeugen nicht infrage, doch entstanden rings um den Flugplatz in einer Sperrzone eine Reihe von militärischen Anlagen wie Scheinwerfer- und Flakstellungen sowie Maschinenhäuser. Nach dem Kriegsende 1945 versank der Juister Flugplatz in einen "Dornröschenschlaf". denn den Deutschen war jegliche Form von Luftfahrtbetätigung aufgrund alliierter Kontrollratsgesetze verboten. Die militärischen Anlagen wurden gesprengt, und in die Flugleitungsbaracke zog eine Flüchtlingsfamilie aus Pommern ein. Das Rollfeld verwahrloste zunehmend. Sandstaub ließ an den Flugplatzrändern ständig höher werdende Dünen entstehen, die Südkante des Rollfeldes brach bei jeder Sturmflut weiter ab, und über den gesamten Platz zogen sich immer tiefer werdende Wagenspuren, verursacht von Fuhrwerken, wenn sie zum Kalfamer fuhren, um dort anlandende Personen und Sachen zu transportieren. Das war besonders gravierend in der Zeit zwischen 1947, als Eisgang im März den gesamten Schiffsanleger samt Schienenstrecke zerstörte und der Errichtung der neuen Landungsbrücke im Mai 1949.
"Dornröschens Erweckung" erfolgte 1952. Die "Prinzen" kamen aus Bremen. 1951 war den Deutschen das Segelfliegen wieder gestattet worden und dies veranlasste verschiedene Mitglieder des neugegründeten Bremer Vereins für Luftfahrt, ein sommerliches Zeltlager auf Juist zu planen. Mit von der Partie war neben dem Bremer Segelflieger Jan Eilers auch Hans Kolde, der spätere langjährige Leiter des Segelflughorstes und der Jugendbildungsstätte. Der Rat der Inselgemeinde, froh darüber, den "Dornröschenschlaf" des Flugplatzes beenden zu können, war außerordentlich kooperationsbereit. So konnte Pfingsten 1952 mit einer Ausnahmegenehmigung der Luftfahrtbehörde ein erstes 14-tägiges Probefliegen veranstaltet werden. Zwei Segelflugzeuge erreichten Juist im Schleppflug hinter einer dänischen Motormaschine von Bremen, während ein altes Auto, das zu einer Schleppwinde umgebaut worden war, von der Frisia VII transportiert wurde. Die Segelflieger wohnten damals im Haus Pilz an der Billstrasse. Nachdem die größten Schäden am Rollfeld beseitigt waren, erteilte das Land Niedersachsen der Inselgemeinde Juist am 14. Juli 1952 die erste offizielle Genehmigung der Nachkriegszeit zum Betrieb eines Flugplatzes für Motorflugzeuge und Segelflugzeuge. Erstere durften damals aber nur von Ausländern geflogen werden. Deutschen war das Steuern von Motorflugzeugen erst wieder ab 1955 erlaubt.
Nach den günstig verlaufenen Erprobungsflügen beschloss Jan Eilers die Gründung einer privaten Segelflugschule auf Juist,  die sich jedoch als nicht lebensfähig erwies und deshalb 1955 ihren Betrieb wieder einstellen musste. In dieser Zeit kam es am Juister Flugplatz zu einer schicksalhaften Begegnung. Dort erschien nämlich eines Tages eine etwa 50jährige Dame, Kurgast auf Juist, die sich als Marlies Wuppermann aus Leverkusen vorstellte und gerne an einem Rundflug teilnehmen wollte. Die Begeisterung von Frau Wuppermann über das Flug- und Landschaftserlebnis war so groß, dass sie von da an jeden Tag zum Flugplatz kam und sogar mit einer Flugschulung begann. Ihre Familie war hierüber zunächst schockiert, aber die Überzeugungskraft von Marlies Wuppermann war so groß, dass sie ihren Mann, Industrieller der Eisen und Stahlindustrie, dazu brachte, in Egelsbach bei Darmstadt (die Wuppermanns besaßen im nahen Odenwald ein Landhaus) mit dem in Frankfurt studierenden Hans Kolde mehrere  Flüge in einem Segelflugzeug zu machen. Dr. Theodor Wuppermann, engagierter Pionier auf dem Gebiet der Jugendsozialarbeit, erkannte sehr schnell die pädagogischen Möglichkeiten für die Persönlichkeitsbildung junger l  Menschen, die das Segelfliegen bot. Nach langen Diskussionen entschloss er sich  zusammen mit gleichgesinnten Unternehmern  zur Gründung eines Förderkreises mit dem Ziel, auf Juist eine Einrichtung zu schaffen, in der Segelfliegen als zentrales pädagogisches Mittel für eine breitgefächerte Bildungsarbeit stehen und durch naturkundliche, musische, politische und sportliche Bildungsinhalte ergänzt werden sollte. Es waren 16-tägige Internatskurse vorgesehen, die von jungen Menschen beiderlei Geschlechts, vorwiegend aus Betrieben, aber auch von freien Teilnehmern, besucht werden konnten. 1955 gründete man die "Gesellschaft zur Förderung des Segelfluges e. v. Juist´' als Präsident wurde Dr. Theodor Wuppermann gewählt. Gründungsmitglieder waren übrigens die Juister Bürger Dr. Hans Wiers und Karl Pilz. Die Einrichtung zur Verwirklichung der pädagogischen Ziele erhielt den Namen "Segelflughorst Juist", l die Leitung lag in den Händen von Hans Kolde. Nachdem der Verein Grundstücke erworben, Bauten errichtet, Personal eingestellt und alles Notwendige an technischer Ausrüstung und Einrichtung beschafft hatte, begann am 26.April 1956 mit dem ersten Lehrgang auf Juist ein pädagogisches Experiment, das bundesweit einmalig war und großes Interesse hervorrief. Mit dem Beginn der Arbeit des Segelflughorstes setzte auch die Neuorganisation des  'Verkehrslandeplatzes ein. In Abstimmung mit der Inselgemeinde und in Zusammenarbeit mit dem Bauamt für Küstenschutz, dem Begierungspräsidenten in Aurich sowie dem Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Niedersachsen stellte Hans Kolde den ersten Entwurf  eines Ausbauplans auf. Er konnte in den  folgenden Jahren Zug um Zug verwirklicht werden. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Maßnahmen:
- Bau von Lahnungen aus Buschwerk entlang der Südgrenze des Flugplatzes, um die Wiederanlandung von Sedimenten zu fördern.
- Rückgewinnung von ca. 10.000 qm Flugplatzgelände sowie Wiederherstellung der Flugplatzgrenze von 1934.
- Beseitigung umfangreicher Sandaufwehungen und Fahrspuren.
- Neubesodung oder Ansaat der gewonnenen Flächen.
Träger aller Baumassnahmen war damals noch die Gesellschaft zur Förderung des Segelfluges e.V. Juist. Für die genannten Projekte, deren Realisierung bis 1965 dauerte, erwirkte sie Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln in Höhe von DM 360.000,- und übernahm als Eigenleistung die gesamte Planung und Bauleitung. Später teilte man die Verantwortlichkeiten auf. Während die Inselgemeinde für die Anlegung und den Ausbau des Flugplatzes zuständig war, erhielt die Gesellschaft die Betriebsgenehmigung. Diese gewiss nicht alltägliche Regelung war außerordentlich zweckmassig und für die Inselgemeinde von hohem Nutzen.
Als großes Handicap erwies sich bald das Fehlen einer vernünftigen Verkehrsverbindung zwischen Flugplatz und Ort. Deshalb wurde mit der Inselgemeinde ein Straßenbauplan aufgestellt und die bestmögliche Trassierung festgelegt. 1958 begann der erste Bauabschnitt; für eine 3 m breite Strasse aus. Betonsteinpflaster. Geld war jedoch nur für eine Strecke von 400 m vorhanden, doch signalisierte das Land Niedersachsen weitere Finanzierungshilfen für die kommenden Jahre. 1.600 m waren fertiggestellt, als die schwere Sturmflut vom 16.Febr. 1962 erhebliche Schäden, unter anderem am südlichen Dünenfuß anrichtete.  Für die Beseitigung und den gleichzeitigen Fertigbau der Strasse als künftige Dünenfuß-Sicherung auf 3.600mLänge gab es dann großzügige Finanzhilfen.  Ebenso für den Bau eines Schutzdeiches für die Gebäude und "Anlagen des Flugplatzes gegen künftige Sturmfluten. Sie hatten 1962 schwere  Schäden erlitten
Bereits 1959 zeichneten sich erste Ansätze für den Beginn eines Privatluftverkehrs in deutschen Händen ab. In Emden konstituierte sich die Ostfriesische Lufttaxi OHG Dekker und Janssen, die, nachdem sie die Betriebsgenehmigung für einen Flugplatz nordöstlich der Stadt erhalten hatte, Zeitungsflüge sowie Personen- und Frachttransporteure auch nach Juist anbot.   Die Entwicklung verlief vielversprechend, doch stellte sich am Juister Flugplatz heraus, dass ein Nebeneinander von Segelflugbetrieb mit Windenstart und öffentlichem Luftverkehr Sicherheitsprobleme aufwarf, die in den Anfangsjahren aber noch durch organisatorische Maßnahmen zu bewältigen  waren. So zog z.B. die Flugleitung in das Obergeschoss des 1956 erbauten Tower und erhielt eine UKW-Sprechfunkverbindung, während der Schulbetrieb durch verbesserte Kommunikation mit dem Tower in da~ Sicherheitssystem eingebunden wurde. Oberste große Bewährungsprobe bestand der öffentliche Luftverkehr im Eiswinter 1962/63,als die Insel viele Wochen lang über eine  Luftbrücke versorgt werden musste. Aber auch Krankentransporte, teilweise unter abenteuerlichen Bedingungen, schufen dem Luftverkehr bei den Insulanern hohes Ansehen.
Im Jan.1966 kam Dr. Theodor Wuppermann bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Der Trägerverein wurde danach zu seinen Ehren umbenannt in "Jugendbildungsstätte Theodor Wuppermann e.V. Juist“, während der jüngste Sohn Dr. Wuppermanns, Rechtsanwalt Herbert Wuppermann, den Vorstandsvorsitz übernahm.
Die zunehmende Ausweitung des Luftverkehrs machte 1967 in Emden die Anlegung einer befestigten Startbahn von  800 m Länge und 20 m Breite erforderlich. Ein Jahr zuvor war ein neues, in England gebautes Flugzeug, zweimotorig und zehnsitzig, vorgestellt worden. Es wies besonders für die Inselbedingungen geradezu ideale Start- und Landeeigenschaften auf. Die BN 2 ist bis heute des unverwüstliche Allround-Flugzeuge unserer Region * geblieben.
Ende der sechziger Jahre wurde der Ruf nach einem küstennahen Flugplatz immer lauter. Die Juister und ihre Gäste wollten nach Norddeich und nicht nach Emden. Da trat ein Stuttgarter Luftfahrtunternehmer auf den Plan, erwirkte für ein Wiesengelände in Norddeich-Osterloog die Genehmigung zur Anlegung eines Flugplatzes und nahm 1968 den Luftverkehr mit Juist auf.
Ein Jahr später, 1969, erhielt ein weiteres Luftfahrtunternehmen  die  Betriebserlaubnis  für  einen Flugplatz  in  Norden-Hage.
Daraus entwickelte sich ein Konkurrenzkampf, der für den Juister Flugplatz verheerende Folgen hatte. Die große Anzahl an Starts und Landungen beschädigten die Grasnarbe so sehr, dass immer größere Flächen mit Steinplatten oder Verbundsteinen ausgeflickt werden mussten. Außerdem kam der Schulbetrieb stundenweise fast völlig zum Erliegen. Das führte zu zwei wichtigen Entscheidungen:
1.  Den bisherigen Schulbetrieb mit Segelflugzeugen  einzustellen und künftig selbststartende Motorsegler einzusetzen.
   Der Plan wurde 1970 realisiert.
2.  Eine befestigte Start- und Landebahn anzulegen  und für beide Flugbetriebe (öffentlicher Luftverkehr und Schulbetrieb) getrennte An- und Abflugverfahren und Lufträume zu schaffen.
   1973 wurde der Plan realisiert.
Zwischenzeitlich vollzog sich noch eine weitere Entwicklung von großer Tragweite. Die AG Reederei Norden Frisia erkannte nach langem Zögern endlich im Luftverkehr das ideale Ergänzungsgeschäft zur Schifffahrt. Nach Gründung der Frisia-Luftverkehr GmbH Norddeich und schwierigen Auseinandersetzungen mit dem Stuttgarter Unternehmer und dem Norddeicher Grundstückseigentümer flogen ab 1970 nur noch Frisia-Flugzeuge  zwischen Norddeich und Juist. Das Hager Unternehmen war dieser Konkurrenz nicht gewachsen und stellte den Betrieb ein. Der Flugplatz wurde geschlossen. Das Emder Unternehmen Ostfriesische Lufttaxi OHG firmierte nach dem Tode seiner Mitbegründers Jan Janssen um in OHG - Ostfriesische Lufttransport GmbH- und konzentrierte sich mehr und mehr auf den Frachttransport - auch nach Juist.
Die Fortsetzung der Geschichte des Juister Flugplatzes von 1973 bis heute können Sie im Strandlooper 2002 lesen.

Text : Hans Kolde

 
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