Spuren der Juister
Vergangenheit
am Strand
Durch die jüngsten
Sturmfluten sind an der Westspitze kurz hinter dem Hammersee wieder große
Flächen alter Hellerschichten freigespült worden. Diese sind
für die Forscher des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung
ein großer Glücksfall, denn die untersuchten Salzwiesenreste
sind zum Teil über 1500 Jahre alt und waren einmal Teil der Südseite
der Insel. Es ist auf den ostfriesischen Inseln sehr selten, dass so alte
Erdteile frei auf dem Strand liegen. Die Wissenschaftler Dr. Holger Freund
und Dr. Hans Jörg Streif haben auf Juist die einmalige Gelegenheit,
mehr über den früheren Inselverlauf zu erfahren und anhand von
Bodenproben und den darin enthaltenen Pflanzenresten, die damalige Höhe
des Wassers an der Küste zu rekonstruieren. Ende Februar 200 entnommene
Proben von einem möglichen Deichrest, der im Winter zum Vorschein
kam, geben vielleicht auch neue Kenntnisse über die Vergangenheit
der alten Juister Wohnsiedlungen preis.
400 Jahre sind auf
dem Festland, was historische Lageveränderungen angeht, vielleicht
nicht allzu viel. Altstädte oder Kirchen sind dem Feuer oder Bomben
zum Opfer gefallen, aber, dass ganze Siedlungen samt Kirchen verschwinden,
ist eher selten.
Auf einer Insel
wie Juist, die im Laufe der Jahrhunderte ständig in Bewegung durch
Wind und Wasser ihre Form und Lage verändert, ist solches nur allzu
häufig geschehen. In den letzten Jahren ist die schützende Dünenfront
der Insel um 500 Meter nach Süden gewandert. Das bedeutet, Teile der
Insel, die vor 400 Jahren auf der Wattseite gewesen sind, wurden praktisch
von der sich verlagernden Insel überwandert und kommen jetzt am Strand
wieder zum Vorschein. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte Juist schon
eine Kirche, und es lebten einige Bauernfamilien auf der Insel. Berichten
zufolge gab es Ackerbau und Viehzucht sowie eine große Pferdezucht
mit rund 100 Tieren. Es gab eine für damalige ostfriesische Verhältnisse
sehr große Zahl an schweren Schiffen, die zum Fischen aber auch zum
Handeln genutzt wurden, zum Beispiel für den Handel mit Muschelkalk.
Leider sind aus dieser Zeit keine genauen Zahlen über Gemeindemitglieder
oder genaue Seekarten über die Lage und Größe dieser Siedlungen
und der Insel bekannt.
Um so spannender
ist es, wenn man heute in den alten schwarzen Hellerflächen, die am
Strand zum Vorschein kommen, Reste dieser Siedlungen findet. Man sieht
deutlich Spuren der Landwirtschaft auf großen Flächen, die von
Entwässerungsgräben durchzogen waren. Man findet Trittsiegel
von Kühen, Schafen oder Ziegen und sogar von mit Hufeisen beschlagenen
Pferden. Im November 1999 kamen neben zwei alten Lehmbrunnen Stücke
von Mühlsteinen, Backsteinen im Klosterformat auch eine Vielzahl von
Keramikscherben zum Vorschein, bei denen es sich um sogenannte Werraware
handelt, die zum Teil exakt auf das Jahr 1606 datiert werden konnten und
aus Enkhuizen (Holland) stammen.
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Sven Arends
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