Hochzeit
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Am 7.Februar 2000
wurde meinem Ehemann und mir ein wunderschöner, aus Tanne gebundener
Bogen mit lauter daran befestigten Kristallgläsern von der Juister
Volkstanzgruppe zur „gläsernen" oder auch „kristallenen" Hochzeit
mit viel Spaß und Gejohle um die Haustür gehängt. Natürlich
fand dieses Ereignis, am Vorabend unseres 15 Hochzeitstages, völlig
ohne Alkohol statt. Die Juister Volkstanzgruppe bedankte sich dann auch
mit einem zünftigen selbstgedichteten Lied für den „trockenen"
Abend bei uns. Nicht nur der Volkstanz wird in dieser Gruppe gepflegt,
sondern auch alte Traditionen, wie z.b. zu bestimmten Anlässen einen
Bogen um die Haustür zu hängen, werden nicht nur von der Trachtengruppe
aufrechterhalten. Es gibt allerdings Anlässe, wie z. B. die Petersilienhochzeit
= 12 1 Jahre, wo mancher Insulaner sagt „Mutt man dat nu fiern, dat givt
ok nur in' t Trachtengrupp ."
Vor 15 Jahren befanden
wir uns nach dem Jahreswechsel also im Hochzeitsstress. Die ganze Familie
wartete schon sehnsüchtig auf das Hochzeitsereignis, da ich vom Festland
bin und mein Mann von Juist, wurden die Familie und die Freunde Juist eingeladen,
worauf sich alle sehr freuten. Alles notwendige dafür wurde besorgt,
bestellt und erledigt. Mein Hochzeitskleid wurde von einer Freundin auf
Juist genäht. Ein Anzug wurde am Festland gekauft. Die Hose musste
noch geändert werden und sollte uns dann per Post nach Juist geschickt
werden. Hocherfreut stellten wir fest, das fast alle Hochzeitsgäste
die wir eingeladen hatten, ihr Kommen zusagten. Nur an eines hatten wir
nicht gedacht: An das Wetter. Als die ersten Zusagen eintrafen, brüllte
auf Juist schon seit einer Woche ein unerbittlicher Ostwind. Ein paar Tage
später konnten die Fähren Juist mangels Wasser in der Fahrrinne
nicht mehr anfahren. Zu diesem Zeitpunkt, drei Wochen vor der Hochzeit
nahmen wir das noch ganz gelassen hin. Irgendwann riefen wir bei dem Herrenausstatter
am Festland an. Ja, die Anzughose wäre per Post an uns abgeschickt.
Am Ende der zweiten Woche ohne Schiffsverkehr gab es in den Juister Lebensmittelgeschäften
schon keinen Jogurt und keine Butter mehr. Langsam wurde ich nervös.
Erst jetzt fiel uns auf, dass Juist schon seit zwei Wochen keine Paketpost
bekam. Bei der Versorgung über den Flugplatz wurde nur Briefpost nach
Juist befördert. Ich rief bei der Post in Norden an. Ich hatte Glück
und man verband mich mit dem Chef dort. Die Juister Paketpost stapele sich
bereits bis an die Decke, bekam ich dort zu hören, aber man wolle
das Paket gerne für mich suchen und zum Flugplatz bringen. Die Postbeamten
begannen ihre Suche und inzwischen fiel wegen Vereisung der Landebahn auch
der Flugbetrieb zwischen Norddeich und Juist aus. Der Ostwind ging beharrlich
in die dritte Woche.
Die Eisschollen
im Watt legten sich bei jeder Ebbe und jeder Flut zu kleinen und mittleren
Eisbergen übereinander und wir wussten damals nicht was wir schlimmer
finden würden: Keine Hose - keine Hochzeit oder vielleicht gleich
alles absagen? Wir erzählten es den Freunden und mein Mann wurde von
da an oft von einigen Juistern mit den Worten begrüßt: „ Na
Gerald, best dien Büx all." Die Regale in den Lebensmittelgeschäften
sahen jetzt sehr spärlich aus. Die ersten Hamsterkäufe für
Kartoffeln hatten auch schon stattgefunden. Bier wäre auf Juist noch
reichlich vorhanden, hieß es. Während wir immer noch die Hose
erwarteten und auch noch nicht die Hochzeit abgesagt hatten setzte am 5.
Februar, 2 Tage vor dem Polterabend, plötzlich ein starker Westwind
ein. Jede Flut brachte uns die Aufnahme des Schiffsverkehrs näher.
Am 7. Februar, am Tag unseres Polterabends fuhr das Schiff zum ersten Mal
nach drei Wochen wieder nach Juist. Alle unsere Hochzeitsgäste waren
an Bord. Das Eis im Wattenmeer und die Eisschollen in der Fahrrinne waren
durch den starken Westwind zum größten Teil schon verschwunden
, das Problem war der von der Kaimauer geschützte Juister Hafen, in
dem der Wind die wohl 20 bis 30 cm dicke Eisschicht einfach nicht bewegen
konnte. Hier hatte nun die kleine Frisia X mit all unseren Gästen
an Bord die Aufgabe eines Eisbrechers zu bewältigen. Das hieß:
Ab Hafeneinfahrt Juist volle Fahrt voraus, Eis brechen, Maschine Stop,
rückwärts, volle Fahrt voraus, Eis brechen, Maschine Stop, rückwärts,
volle Fahrt voraus, Eis brechen usw. usw. Viele Juister standen am Hafen
um sich dieses Schauspiel der besonderen Art anzusehen vor allem, den Moment,
in dem das Eis vor dem Schiff auf ein paar Meter Länge krachend brach.
Als das Schiff endlich angelegt hatte und die ersten Fahrgäste von
Bord gingen, sah man in fröhliche aber auch aufgeregte und vor allem
sehr bleiche Gesichter. Eine ältere Tante von mir, eine Ostfriesin
sagte: „Oh Herr, wat heb ik dan, dat du mi op disse Schip sei hest. Nu
bruk i k en Klaren." Den klaren Schnaps hat sie sofort bekommen, den hatten
wir zur Begrüßung dabei. Etwas anderes hatte die Post für
uns dabei. Einen Tag vor der Hochzeif har Gerald sien Büx". An dieser
Stelle könnte die Geschichte enden. Nein, ich beschreibe jetzt nicht
unsere wunderschöne, unvergessene Hochzeit. Vielmehr möchte ich
noch anmerken, das wir einen Tag nach unserer Hochzeit, am 9. Februar mit
der Fähre nach Norddeich fuhren. Unsere Gäste fuhren alle wieder
nach Hause und wir in die Flitterwochen. Bei der Überfahrt herrschte
heftiger Ostwind und es war sehr wenig Wasser in der Fahrrinne. Nach dieser
Überfahrt hatte Juist drei Wochen lang keinen Schiffsverkehr wegen
Eisgang und keinen Flugverkehr wegen Vereisung der Landebahn. Sechs Wochen
Eis im Watt, von denen drei Tage, die unserer Hochzeit, eisfrei waren.
Text:
Frauke Kannegieter, Juist |