Asche zu
Asche.....
.
ein
Leben geht zu Ende
.
Dunkle Regenwolken
ziehen über den Himmel und der Wind heult um die Häuser.
Der erste Herbststurm hat die Insel erreicht.
Eine kleine Gruppe
von Juistern hat sich auf dem Kirchhof zusammengefunden um einem Toten
die letzte Ehre zu erweisen. Wir schreiben das Jahr 1918, der erste Weltkrieg
geht seinem Ende entgegen. Der Pastor spricht ein Gebet während die
Totengräber den Sarg langsam in der Erde versinken lasse. Auf diesem
Grab wird kein gewöhnlicher Grabstein stehen, denn der Name des Mannes
ist nicht bekannt. Er ist einer von vielen Kriegstoten, die die See an
den Strand unseres kleinen Eilandes gespült hat. So könnte es
gewesen sein vor über achtzig Jahren.
Schaut man in die
Aufzeichnungen der Kirchen, so sind es in der ersten Hälfte unseres
Jahrhunderts fast jedes Jahr bis zu fünf Strandleichen, die auf dem
Juister Friedhof beerdigt worden sind. Während der beiden Weltkriege
nimmt diese Zahl außergewöhnlich zu. Die größte Zahl
an Beerdigungen auf Juist war im Jahr 1940, wo 47 Bestattungen registriert
sind, während in den Jahren außerhalb der Kriege in der Regel
zwischen 5 und 9 Beerdigungen verzeichnet sind. In den fünfziger Jahren
pendeln sich diese Zahlen zwischen 10 und 14 Beerdigungen pro Jahr ein.
Interessant ist auch das Durchschnittsalter der Verstorbenen. Lag es vor
dem 2. Weltkrieg noch zwischen vierzig und fünfzig Jahren, so steigt
das Alter in den fünfziger Jahren auf siebzig an. Ebenso interessant
ist die Entwicklung bei den Totgeburten, waren zwischen 1908 und 1940 noch
alle zwei bis drei Jahre eine oder zwei Totgeburten zu vermelden, ist in
den fünfziger Jahren keine einzige Totgeburt aufgezeichnet. Diese
Abnahme der Säuglingssterblichkeit hat sicher auch etwas mit der steigenden
medizinischen Versorgung der Inselbewohner zu tun. Denn heutzutage gibt
es kaum noch Geburten auf der Insel, sie finden in den Krankenhäusern
am Festland statt.
Wie ging es früher
zu auf der Insel, wenn ein Insulaner gestorben war. In der Regel starben
die Juister zu Hause und wurden dort auch aufgebahrt. Es gab sogenannte
Totenfrauen, die von den Angehörigen beauftragt wurden, die Leichen
zu waschen, anzuziehen und aufzubahren. Sie waren es auch, die von Haus
zu Haus gingen um den Tod des Verstorbenen bekannt zu machen. Aus einer
Aufstellung aus dem Jahre 1853 zum Begräbnis der Witwe Folkerts geht
hervor, dass für die Waschung des Verstorbenen 1 Reichstaler, 2 gute
Groschen und 6 Pfennige zu bezahlen waren. Die Gesamtkosten einer solchen
Beerdigung beliefen sich auf 27 Reichstaler courant, 14 gute Groschen und
13 Pfennige. Im Verhältnis dazu ersteigerte ein Juister ein Wohnhaus
ohne Inventar für 90 Reichstaler courant ( etwa 3780 DM.) Man musste
also für eine Beerdigung fast ein Drittel des Wertes eines Hauses
aufwenden. Eine Relation, die wir uns heute nicht mehr vorstellen können.
In einem alten Buch
über Juist wird eine andere Geschichte erzählt. Es muss vor der
Jahrhundertwende gewesen sein, als die alte Witwe Diertjemö verstarb.
Ihre Kinder Gerd und Hinnke hingen mit solcher Liebe an ihr, dass sie es
nicht übers Herz brachten, ihren Leichnam zu begraben. Alle Versuche
der Nachbarn und guten Freunde, sie zur Beerdigung zu überreden, schlugen
fehl. Ein furchtbarer Leichengestank lag wochenlang über dem ganzen
Dorf. Gerd und Hinnke hatten über dem Herdfeuer einen Topf mit Essig
hängen, der ständig kochte.
Außerdem hatten
sie Becken mit glühenden Kohlen in dem Hause aufgestellt, doch konnten
sie damit die Moderluft nicht vertreiben. Endlich nach 6 Wochen wurde auf
Befehl des Inselvogts die Leiche begraben.Eines ist bis zum heutigen Tag
geblieben, der Tote wird von Angehörigen, Nachbarn und Freunden bis
zu seiner letzten Ruhestätte begleitet. Früher ging der
Weg vom Haus des Toten durchs Dorf hin zur Kirche, heute wird der Verstorbene
zumeist vom Schiff abgeholt und zur Kirche oder zur Leichenhalle am Dünenfriedhof
im Ostdorf begleitet. Bis vor wenigen Jahren geschah das mit einem offenen
Kutschwagen, der vormals zur Frachtzustellung eingesetzt worden war und
den man für diesen Zweck mit einem schwarzen Tuch verhängte.
Auf Initiative von Klaus Schmidt (verstorbener Ratsherr) konnte Mitte der
neunziger Jahre ein historischer Leichenkutschwagen in Dienst gestellt
werden. Der Fuhrbetrieb Munier, Sammler alter Kutschwagen, war in
Bockelshagen im Harz auf diesen alten Wagen gestoßen, der dort lange
Zeit in einer alten Scheune gestanden hatte. Es handelt sich dabei um einen
bäuerlichen Leichenwagen, der um 1850 gebaut wurde. Die Restauration
wurde von der Firma Bogajewicz in Polen durchgeführt, die sich auf
Restauration alter Kutschen spezialisiert hat. Seitdem hat Juist einen
offiziellen Leichenwagen.
Und noch etwas, sollte
Ihnen einmal in Ihrem Urlaub dieser Wagen auf dem Weg zur Kirche begegnen,
dann haben Sie Respekt vor dem Verstorbenen und seinen Angehörigen.
Leider gibt es immer wieder Gäste, die aus Unwissenheit oder Unsensibilität,
diesen letzten Gang stören. Sei es, dass ein Hobbyfotograf unbedingt
einen Schnappschuss machen muss, oder manche meinen den Trauerzug mit ihrem
Fahrrad überholen zu müssen. Zeigen Sie Respekt, bleiben Sie
stehen und lassen Sie den Trauerzug passieren. Eigentlich sollte das eine
Selbstverständlichkeit sein.
Bei Kindern kann
man das Staunen ob des Zuges noch verstehen, denn wo wird man auf dem Festland
heute noch als Außenstehender so konkret mit dem Tod konfrontiert.
Dort müsste man auf den Friedhof gehen, um einer Trauergemeinde zu
begegnen. So geschah es hier auf Juist vor einigen Jahren, dass der Leichenwagen
einen leeren Sarg zur Leichenhalle am Dünenfriedhof fuhr und dabei
von einer Mutter vom Festland mit ihrem Jungen beobachtete wurde. Es war
ein Holzsarg, der transportiert wurde. Der Junge sah sich das Gefährt
einen Moment an und sagte dann zu seiner Mutter: „ Kuck mal, da transportieren
sie ein Klavier!“ Woher sollte er es auch besser wissen, denn einen Sarg
hatte er wahrscheinlich vorher noch nie gesehen. So stellen die Trauerzüge
auf Juist eben auch noch das dar, was sie wirklich sind, ein Stück
unseres Lebens. Mögen wir noch soviel Angst vor dem Sterben haben,
der Tod gehört zu unserem Leben wie die Geburt.
Haben Sie
ein wenig Zeit, dann besuchen Sie doch einmal die beiden Friedhöfe.
Den alten Friedhof finden Sie am Kirchhof der Evangelischen Kirche mitten
im Ort.
Er ist 1742 an diesem
Platz angelegt worden, obwohl die Kirche damals noch im Loog stand. Es
war die Zeit der großen Sturmfluten, als Juist in zwei Hälften
geteilt wurde und man sich entschloss, die Kirche an seinen heutigen Platz
zu verlegen. Dies geschieht aber erst 1779. Den Dünenfriedhof finden
Sie im Ostdorf am Ausgang des Dorfes, hinter dem Inselhospiz. Er
ist Ende der dreißiger oder Anfang der vierziger Jahre dieses Jahrhunderts
dort angelegt worden. Die ersten Toten, die hier begraben wurden waren
angeschwemmte Kriegstote, wahrscheinlich nach der großen Schlacht
bei Dünkirchen. |
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