Die medizinische Versorgung

Juist, die autofreie Insel! So liest man es in jeder Werbebroschure, und jeder Gast weiß das zu schätzen. Aber was ist das, hören wir da nicht ein vertrautes Geräusch, als wir ganz gemächlich die Billstraße entlang spazieren. Ja, man glaubt es kaum, da fuhr soeben ein Auto an uns vorbei. So wird es sicher schon manchem Spaziergänger hier ergangen sein, und besonders die Kinder geraten dann ganz plötzlich in eine aufgeregte Ekstase. Was ist passiert? Wir haben gerade eines der ganz wenigen Autos auf dieser autofreien Insel gesehen. Denn wie immer gibt es bei Regeln auch Ausnahmen, und die besteht hier auf unserer Insel für die Ärzte, die Feuerwehr und den Krankenwagen. Ist ein Unfall passiert, oder jemand plötzlich schwer erkrankt, muß Hilfe schnell vor Ort sein. Wie oft passiert es, daß plötzlich jemand am Strand einen Herzinfarkt erleidet, da würde es wenig helfen, wenn Arzt oder Sanitäter zu Fuß über den Strand laufen müßten. Also eine Ausnahme, die von allen gerne hingenommen wird, denn es könnte einen ja mal selber treffen. Arzt zu sein auf Juist ist nicht einfach, auch wenn mancher Arzt lieber mit dem Fahrrad seinen Dienst versehen würde. Denn die Ausnahmegenehmigung kostet die Ärzte eine ganze Menge Geld, was die Ärzte auf dem Festland nicht zu tragen haben. Ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, den Wagen beim TÜV vorzuführen, den es natürlich nur auf dem Festland gibt, und davon werden auch die Ärzte nicht befreit. Der Arzt auf Juist, wir haben hier zwei niedergelassene Ärzte und einen Zahnarzt, ist das, was man einen Landarzt nennt. Er muß Spezialist auf allen Gebieten sein, denn die Erstversorgung muß hier auf Juist erfolgen. Sei es bei einem schweren Unfall oder aber auch bei einer plötzlich eintretenden Geburt. Das Krankenhaus ist fern und bei manchen Wetterlagen sogar überhaupt nicht zu erreichen. Auf dem Schild vor den Praxen steht Badearzt, und das war auch lange Zeit die Hauptaufgabe der Ärzte hier auf Juist. Badearzt bedeutet besonders, daß die Gäste, die ihre Kuren hier verleben wollen, während dieser Zeit von einem Arzt begleitet werden müssen. So waren die Praxen über viele Jahre im Sommer von kurenden Gästen überfüllt. Das sich dies in den letzten Jahren geändert hat, liegt in der Gesundheitsreform begründet, die die Kuren auf ein Mindestmaß zurückgestutzt hat. Das hat das Leben für die Ärzte hier auf Juist nicht einfacher gemacht. Denn für die eigentliche Bevölkerung der Insel von rund 1600 Einwohnern, sind eigentlich gar keine zwei Arztpraxen vorgesehen. Nur die große Anzahl der Gäste im Sommer rechtfertigt diese Zulassung. So ist, wie mir ein Arzt sagte, auch kein Platz mehr für eine weitere Praxis. 


Der 1. Krankenwagen (sog. Pestkarre)
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Was passiert mit einem Patienten, der auf der Insel nicht  versorgt werden kann? Es gibt mehrere Möglichkeiten, einen Krankentransport zu organisieren. Ist die Verletzung nicht lebensbedrohend, dann wird der Patient ganz normal mit dem Fährschiff nach Norddeich gebracht, wo schon ein Krankenwagen auf ihn wartet, um ihn ins nächste Krankenhaus zu bringen. Auch für Liegendtranporte gibt es spezielle Räume auf den Fähren. In allen anderen Fällen muß der Arzt vor Ort die Dringlichkeit der Versorgung feststellen. Je nachdem geht es dann mit dem Flugzeug ans Festland oder, in absoluten Notfällen wird der Hubschrauber des ADAC angefordert. Dies ist natürlich die teuerste Variante des Transportes und wird nur in wirklichen Notfällen gewählt, oder auch mal nachts, wenn der normale Flugbetrieb eingestellt ist. Da ist dann auch schon mal der Unmut des Arztes zu spüren, wenn gerade wir Juister den Arztbesuch so weit 

Der 1. DRK Wagen auf Juist
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hinauszögern, das nur noch die Wahl des Hubschraubers bleibt. Bei so einem Hubschraubertransport können dann schon bis zu 7000 DM zusammenkommen, wo doch ein paar Stunden zuvor der Transport mit dem Flugzeug für einige hundert Mark machbar gewesen wäre. In einigen Fällen kommt auch die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger zum Zuge, denn Juist hat ein, wenn auch kleines, Rettungsboot der Gesellschaft im Hafen liegen. So geschah es in der letzten Silvesternacht, als ein Patient mit einer akuten Blutvergiftung in den frühen Morgenstunden mit dem Rettungsboot nach Norddeich gebracht werden mußte. Eine nicht ganz einfache Aufgabe für die Ehrenamtlichen der Rettungsgesellschaft, besonders in dieser Nacht. Neben den Ärzten wird die Erstversorgung auf Juist von den Rettungssanitätern des DRK vorgenommen. Bis vor einigen Jahren wurde der Dienst noch von ehrenamtlichen Mitgliedern des DRK-Juist durchgeführt. 
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Heute wird der Rettungsdienst vom Landkreis Aurich wahrgenommen. Auf Juist sind daher drei Rettungsassistenten und ein Zivildienstleistender stationiert. Rettungsassistent ist die höchste Stufe der Ausbildung, die ein Rettungssanitäter erreichen kann. Danach kommt nur noch der Notarzt. Damit wurde aber gewährleistet, daß auf Juist die Erstversorgung der Patienten in besten Händen liegt. Im Gegensatz zu den Rettungsassistenten auf dem Festland ist die Dienstzeit der Mitarbeiter auf Juist durch die insulare Lage wesentlich erschwert. So beträgt die Dienstzeit von jeweils zwei Sanitätern 24 Stunden eine ganze Woche lang. Sie teilt sich auf in 8 Stunden normalen Dienst und 16 Stunden Bereitschaftsdienst. Im Gegensatz dazu haben die Festländer 24 Stunden Dienst und dann einen Tag frei. Voriges Jahr hat Juist einen neuen Krankenwagen in Dienst stellen können. Der alte war nach 8 Jahren überholt und Ersatzteile waren schwer zu bekommen. Nun ist man wieder auf dem neuesten Stand der Technik, was nicht nur den Rettungsassistenten die Arbeit erleichtert, sondern auch den Patienten zugute kommt. So besitzt der neue Wagen eine fahrbare Trage, so daß die Patienten nicht mehr bis zum Wagen getragen werden müssen. Auch die Höhe des neuen Wagens erleichtert die Arbeit, denn er ist mit einer Stehhöhe ausgerüstet. Im letzten Jahr fuhr der Krankenwagen 1400 Einsätze, davon waren 450 Notfalleinsätze. Die restlichen 950 Einsätze waren normale Krankentransporte. 30mal mußte der Rettungshubschrauber des ADAC angefordert werden. Eine besonders schwierige Situation für die Rettungsstation in Juist und ihre Mitarbeiter stellt auch die jetzige Stationierung der Station und die Unterbringung der Mitarbeiter dar. Die Station ist viel zu klein, so ist das Büro gleichzeitig Aufenthaltsraum für die Sanitäter. Auch der neue Rettungswagen konnte aufgrund seiner Höhe nicht untergebracht werden, und es mußte eine Behelfsgarage errichtet werden. Ziel ist es, die Rettungsstation so zentral wie möglich zu errichten und auch für die Mitarbeiter Wohnraum zu schaffen, der ihrem stetigen Bereitschaftsdienst gerecht wird. Hier sind die Gemeinde und der Landkreis gefordert.
 
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