Das erste
Mal Juist
Wie gern würde ich einmal
das erste Mal im Leben nach Juist kommen. Ich gäbe einiges dafür,
die Insel völlig neu kennenzulernen. Mein Problem dabei ist: ich bin
ein Juister. Als ich das erste Mal auf dieser Insel ankam, hatte ich keinen
anderen Gedanken als die Brust meiner Mutter. Und dann bin ich groß
geworden mit Schiffchenteich und Inselkirche, dies alles ist seit jeher
meine gewohnte Umgebung. Und so gern ich hier lebe und so stolz ich darauf
bin, zwischen Deich und Düne meinem Leben nachzugehen, ich würde
doch zu gern einmal Gast sein auf dieser, meiner Insel. Welch ein Gefühl
muß es für den Festländer sein, zur Hinreise auf dem Schiff
zu sitzen und Steuerbord eine Insel an mir vorbeiwandern zu sehen, die
ich kennenlernen möchte.
Überkäme mich
ein kleiner Schauer, wenn der Kapitän mir über die Sprechanlage
die vielen Geschichten übers Wattenmeer und die sich ständig
entwickelnden Inseln darin erzählte? Wahrscheinlich hätte ich
eine ungeheure Achtung vor der gewaltigen Natur, wenn ich versuchte, mir
vorzustellen, daß der Kalfarmer vor einem Viertel Jahrhundert lediglich
eine unscheinbare Sandbank gewesen sein soll. Ob es unter der Sohle kribbelt,
wenn man den ersten Schritt auf das Töwerland tut? Vielleicht ging
ich mit meinem Gepäck auf den kleinen Inselort zu und wüßte
nicht genau wohin ich nun muß; dann würde ich nach jemandem
schauen, der irgendwie einheimisch aussieht, um ihn nach dem Weg zu fragen.
Enttäuscht stellte ich dann fest, daß die Insulaner ganz normales
Deutsch sprechen können, hatte ich mir doch extra einen Plattdeutschen
Übersetzer zugelegt. Unvoreingenommen betrachtete ich die roten Häuser,
neugierig auf das, was mir begegnet, wenn sich die Türen öffnen.
Und was ist mit den Autos, wann fällt es einem auf, daß sie
hier fehlen? Kriecht einem die Stille direkt ins Ohr oder muß man
erst in den ersten Pferdeapfel treten, um sich bewußt zu werden,
daß man den Begriff „Pferdestärken“ hier wörtlich zu nehmen
hat... Wie alle anderen Gäste würde auch ich lediglich mein Gepäck
aufs Zimmer bringen und dann sogleich den Vermieter nach dem schnellsten
Weg zum Strand fragen. Und der Moment, in dem ein Mensch zum ersten Mal
das Meer erblickt, bewußt und nach tagelanger Vorfreude, eben dieser
Moment ist es, den ich um alles in der Welt einmal erleben möchte.
Zahlreiche Gästebucheintragungen schwärmen davon, benutzen Worte
wie „Ehrfurcht“ und „Überwältigt sein“. Dankbar finden die Festländer
mit den Füßen im Wasser ein Stück ihrer Seele und kehren
aufgetankt mit Lebensgeistern zurück. Schade, diese Erfahrung wird
mir ein Leben lang verwehrt bleiben, einfach nur, weil ich mit ihr aufgewachsen
bin. Zum Glück haben wir unsere Gäste, die uns immer wieder erzählen
können, wie atemberaubend schön die Insel Juist ist. Und im Gespräch
mit all den Festländern können wir doch ein wenig teilhaben an
der anderen Perspektive. Eine Freundin, die mich zum ersten Mal auf der
Insel besuchte, sagte einmal „Juist ist eine wunderbare kleine Welt“. Und
für diesen Satz bin ich ihr sehr dankbar, denn jedesmal, wenn ich
am Kurplatz vorbeifahre, die Musikanten spielen in der Muschel und Menschen
lehnen sich auf den Bänken zufrieden zurück, dann denke ich an
dies Worte und lächle.
.Verfasser
ist der Redaktion bekannt |