De Strandlooper: Und da war Juist
sozusagen „die rettende Insel“.
B.B.: So ist es ! Ein Bildhauer nimmt ja
die Form seiner Umgebung besonders
intensiv wahr. Form ist etwas
Endliches, Abgeschlossenes, aber sie
strahlt hinaus in die Weite. An ihr wird
die Unendlichkeit begrenzt.
De Strandlooper: Kannst Du das ein
wenig deutlicher ausdrücken? Auf
Juist ist doch alles flach, bis auf ein
paar Dünen.
B.B.: Geh an den Strand und schau
Dir das Meer an, hier siehst Du wie
Form geschaffen, wie Form verändert
wird ... mit jeder Welle, die sich am
Strand verliert. Sie läßt Dich aber auch
gleichzeitig das Gefühl der Weite
erleben. Sie ist hier am Endpunkt ihres
Seins angekommen. So wie der Blick
eine Form erleben kann, wenn er von
irgendwoher kommt und von der Form
aufgefangen wird. Aber das führt zu
sehr ins Theoretisch-Philosophische
hinein. Auf Juist erlebst Du
Form-änderungsvermögen - und das
ist das deutsche Wort für Plastizieren.
De Strandlooper: Ist Dir die Insel als
früherer Großstädter nicht manchmal
auch zu eng geworden?
B.B.: Der Himmel über dem Wasser,
über Juist ist eines der letzten Wunder
unseres Zeitenraumes. Wo kann man
noch den ganzen nächtlichen
Sternenhimmel sehen. Er ist am
Strand noch nicht von Laternen
angeleuchtet oder vom Lichtermeer
der Stadt zurückgedrängt, nicht
einmal Großbauten engen ihn ein.
Oder schau Dir den Himmel am Tage
an: diese unbeschreibliche Weite, der
Formenreichtum der Wolken, wie eine
schöne Form die andere ablöst. Ohne
Bedauern verschwindet sie und wird
durch eine neue ersetzt. Wenn beim
Plastizieren nach großer Mühe eine
respektable Form entstanden ist, wie
hängen wir daran, möchten sie
konservieren, fotografieren.
De Strandlooper: Wie bist Du
eigentlich damals 1980 dazu
gekommen, unseren alten
Inselversorger, die „Fortuna“, zu
kaufen und aus dem Rostdampfer ein
wirklich schönes Segelschiff für
Jugendreisen zu machen?
B.B.: Nun, wie kommt die Jungfrau
zum Kind? Zum ersten ist‘s die
Gelegenheit. Georg Janssen, Kapitän
und Eigner der „Fortuna“, wollte in
Rente gehen und bot mir das Schiff
an. Zweitens war es die Aufgabe, die
mich als Bildhauer faszinierte: Kann
man mit seinen beiden Händen so ein
Schiff von 40m ü.a. in den Zustand
versetzen, daß es seiner
ursprünglichen Bestimmung als Watt-
und Sundfahrer wieder zugeführt wird
und unsere Küsten besegelt?
Manchmal muß man im Leben
Umwege machen. Auch wenn die alte
Dame „Fortuna“ für meine
Bildhauerkarriere nicht gerade von
Nutzen war, möchte ich die 12 Jahre
Küstensegelei nicht missen. Nord-
und Ostsee kenne ich sozusagen wie
meine Hosentasche.... Und vielen
Jugendlichen habe ich zu
unvergeßlichen Erlebnissen verholfen,
aber auch zu Einsichten, daß die
Existenz nicht nur aus Spaß sondern
auch aus Verantwortung für den
Nächsten besteht und Arbeit auch mal
Blasen an den Händen hervorruft.
De Strandlooper: Zurück zu Deiner
Kunst! Verwendest Du für Deine
Skulpturen noch immer V2A, also
nichtrostenden Stahl, als Werkstoff?
B.B.: Nein,
der Stahl ist mir heute zu
hart. Überschüssige Jugendkräfte
mußten sich an dem Eisen austoben.
Zur Zeit arbeite ich mit klassischem
Material, dem Ton. Von guten Sachen
werden Bronzegüsse gemacht. Es ist
ein Erlebnis, mit diesem gefügigen
Werkstoff zu arbeiten.
De Strandlooper: Nebenbei hast Du
nun auch Lehrtätigkeit aufgenommen.
B.B.: Wenn man die Sechzig
überschritten hat, und reichlich
fachliche und menschliche
Erfahrungen gesammelt hat, kann
man, denke ich, anderen Menschen
auch etwas sagen bzw. vermitteln. Es
ist ja heute wichtig, nicht nur
Fachkenntnisse zu vermitteln,
sondern auch menschliche Erfahrung.
Das wird in unserem Bildungs- und
Wirtschaftssystem leider oft
vergessen.
De Strandlooper: Auf Juist gibst Du
Plastizierkurse für Kurgäste.
B.B.: Die ev. Kirche öffnet mir ihre Tür
und gibt mir die Gelegenheit mit
Kurgästen und Insulanern zu
plastizieren. Ich versuche, Anfängern
einige Grundlagen der Skulptur und
des Plastizierens zu vermitteln;
Fortgeschrittene möchte ich in eine
künstlerische Stabilität bringen, die sie
befähigt für eine gewisse Zeit
selbstständig künstlerisch arbeiten zu
können. Ein Wochenkurs ist dafür
natürlich knapp bemessen.
Dia-Vorträge über 5000 Jahre
Skulpturgeschichte - von den
Ägyptern zur Moderne runden die
Kurse ab.
Außerdem gebe ich, soweit Zeit
vorhanden ist, Einzelunterricht.
De Strandlooper: Lieber Bernd, vielen
Dank, daß Du ein paar Gedanken über
Deine Person und Deine Tätigkeit auf
Juist für unsere Informationsschrift
beigetragen hast. |